Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitnehmern auch über längere Zeiträume und in beträchtlicher Höhe mehr an Vergütung gezahlt wird als vertraglich von dem Arbeitnehmer zu beanspruchen. Dann stellt sich die Frage, ob eine tarifvertraglich oder einzelvertraglich vereinbarte Verfallklausel eingreift oder ein Verfall des Rückzahlungsanspruchs nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB nicht in Betracht kommt.
Das Bundesarbeitsgericht hatte am 10.03.2005 über folgenden Fall zu entscheiden:
Die als Beklagte in Anspruch genommene Arbeitnehmerin war bei dem klagenden Bundesland seit 1975 beschäftigt, wobei auf das Arbeitsverhältnis der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung fand. Ab Dezember 1990 wurde eine Herabsetzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von vormals 38,5 auf nunmehr 19,25 Stunden mit entsprechend reduzierter Vergütung vereinbart. Gleichwohl erhielt die Arbeitnehmerin weiterhin volle Vergütung entsprechend einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Der Arbeitgeber erkannte die irrtümliche Überzahlung erst im Oktober 2001, woraufhin dann im Februar 2002 mit entsprechendem Schreiben an die Arbeitnehmerin die Rückzahlung der überzahlten Vergütung verlangt wurde.
Das Bundesarbeitsgericht hat dem dann klageweise geltend gemachten Rückzahlungverlangen nur für den Zeitraum ab September 2001 stattgegeben und nicht für den vorherigen Zeitraum von Dezember 1990 bis August 2001 mit einer insoweit aufgelaufenen Gesamtüberzahlung von rund 114.000,00 €. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat der klagende Arbeitgeber mit der erstmaligen schriftlichen Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs im Februar 2002 die 6-monatige tarifliche Ausschlussfrist gem. § 70 BAT nur für die Zeit ab September 2001 gewahrt und nicht für die davor liegenden Überzahlungen. Weiter hat das Bundesarbeitsgericht dazu ausgeführt, dass auch bei einer pflichtwidrig unterlassenen Anzeige der Arbeitnehmerin bezüglich der laufend erhaltenen Überzahlungen der Verfall des Rückzahlungsanspruches nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen sei. Denn teile ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber Gehahltsüberzahlungen pflichtwidrig nicht mit und erhalte dieser anderweitig Kenntnis davon, beginne die Verfallfrist nicht neu zu laufen; vielmehr falle der Einwand einer rechtsmissbräuchlichen Berufung auf die Ausschlussfrist bereits dann weg, wenn der Arbeitgeber trotz Kenntnis des Überzahlungstatbestandes längere Zeit von der Geltendmachung seines Rückzahlungsanspruches absehe. Indem der Arbeitgeber – das klagende Bundesland – bei der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs im Februar 2002 bereits mehrere Monate Kenntnis von der Überzahlung gehabt habe, habe es den Rückzahlungsanspruch nicht mit der gebotenen Kurzfristigkeit geltend gemacht.